In  der Ludwigstrasse lebte die Fini bei ihrer Tante, auf dem kleinen Bauernhof gab es zwei Kühe und einige Schweine. Die rund 40-Jährige galt in Partenkirchen als „a weijni gschpassi“ und eigenwillig. Auch rein optisch war sie keine Erscheinung, die Männer zum Träumen bringen konnte: relativ groß, massiger Körperbau, breitschultrig, männlich anmutende Arbeitshände und Handgelenke. Ihr Gesicht wurde von einer dicken Warze auf ihrer rechten Wange verunziert, ihre ungepflegten gelb-braunen Schneidezähne standen weit auseinander. Fast immer trug sie einen grauen Kittel mit einer blau-grau gestreiften Schürze, um den Kopf hatte sie ein graues Kopftuch gewickelt, das sie nach Piratenart am Hinterkopf verknotet hatte. Durch die Stallarbeit haftete ihr meistens eine unangenehme Geruchsschleppe an. Jeden Sommerabend aber, wenn die Kühe von der Weide kommend die Ludwigstrasse gemütlich hinunterzuckelten und alle Fremden völlig  hingerissen fotografierten, hatte die Fini ihren großen Auftritt, wurde die Ludwigstrasse zu ihrer Bühne. Mit einem mannshohen, dicken Haselnussstecken stand sie in ihren Gummistiefeln mitten auf der Straße um  den zwei Kühen, die ihr und der Tante gehörten, mit dem Stock wild gestikulierend und laut schreiend den Weg zu weisen: „Eeeha…hiaschtala, do giahschd eia, Matz varreckte! A sou a Luader, sou a gschissens!“. Dabei war sie die einzige Bäuerin, die diese tägliche Vorstellung lieferte, da die Kühe sowieso genau wussten wo sie hin mussten und ihren Weg sicher von selbst fanden. Aber die vielen Fotoapparate klickten bei Finis entfesselten aber eigentlich nicht notwendigen, fast tanzartigen Lotsendiensten für ihr Vieh - „Ach,  ist das nich originell“ - pausenlos. Da die Fini ein einsamer Mensch war, die Tage und vor allem die Abende mit ihrer alten, wortkargen, stets bedrückten  Tante verbrachte,  sehnte sie sich nach einem Mann und einer Familie. Dabei war ihr klar, dass sie bei einheimischen Burschen aufgrund ihres Alters und ihrer Erscheinung kaum Chancen zu erwarten hatte. Das machte die Sache bisweilen nicht leicht ertragbar. Einmal stand sie abends wieder stockbewehrt vor dem Eingangstor zu dem kleinen Anwesen und erwartete die Kühe. Da fiel ihr ein elegant gekleideter Urlaubsgast mit Strohhut auf, der offensichtlich auf die abendliche Heimkehr der Kühe wartete und seine Kamera bereits klickbereit in der Hand hielt. Und… er war allein! Jetzt brauste das Blut in der Fini… nur, wie anbandeln, sich dem so nahen Objekt ihrer Begierde nähern? Sie spürte wie sich alles in ihr zusammenkrampfte und sie beschloss: „Der ischds, der muass sei!“. Sie fasste allen Mut zusammen und näherte sich dem elegant-vornehm aussehenden Herrn aus dem hohen Norden mit einem kleinen Pfiff: „Sie, Hährr…“ Der Mann wandte sich freundlich zu Ihr und fragte  ein wenig irritiert : „Ja bitte?“. Die Fini wurde puterrot und fürchtete einen Moment lang ersticken zu müssen. Doch dann nahm sie allen Mut zusammen, umklammerte ihren Haselnussstecken fester und  es eruptierte laut und bestimmend aus ihr heraus: „ Sie…Hährr …eijs gfoillts ma - vo enk mecht i a Kind! Zoihln brauchts nix, i hon a Kuah im Schdoi!“.

Der vornehme Herr verstand gar nichts und auf seine höflich-erstaunte Wie-bitte?-Nachfrage wiederholte die Fini ihren Herzenswunsch, diesmal mit einer einladenden Handbewegung Richtung des offenen, die Kühe erwartenden Scheunentors. Wieder verstand der Mann nichts, suchte aber sicherheitshalber Abstand zur Fini, weil ihm die massige, in  seinem Verständnis nur gutturale Laute ausstoßende Bäuerin mit Piratenkopftuch und dem mannshohen Prügel in der Hand schlichtweg unheimlich war. Die aber  war von ihrem Zielobjekt so leicht nicht abzuschütteln, folgte ihm und versprach: “Geh weider, heint ischds guad!“ Der vornehme Herr aber war der werdenfelserischen Fremdsprache nicht mächtig und suchte zügig das Weite. Zu seinem Glück „retteten“ ihn die eintreffenden Kühe, die wiederum Finis Aufmerksamkeit erforderten und sie ablenkte.

Die Fini - Ein Werdenfelser Gschichterl von Alexander Möbius (Copyright)