Damit übernimmt sie vorübergehend die Gesprächshoheit der Expertenrunde. In breitem schwäbischen Dialekt schildert sie mit weit ausholendem Gestus die Friedfertigkeit der Urwaldriesen, deren Duft und Zartheit, das Zupfen der Jungen an ihrem T-Shirt. Als der erfahrene Kapitän von der Brücke bekannt gibt, dass er jetzt so nah wie möglich an den türkis strahlenden Eisdiamanten heranfahren wird, stürzen alle Reisenden mit gezückten Fotoapparaten hinaus auf das Sonnendeck. Damit scheint das Gorillathema erledigt. Sylvia ätzt noch kurz: “Die mit Ihren Affen“, doch dann saugt der lautlos glitzernde Eisberg das gebannte Interesse der Reiseprofis ein und es wird andächtig still auf dem Deck.

Nuuk, die grönländische Hauptstadt, die sich stolz mit den beiden einzigen Verkehrsampeln des ganzen Landes preist. Durch informativ- kritische, zu keiner Zeit belehrende Lektorate, waren die Reisenden bestens auf den dortigen Aufenthalt vorbereitet. Erlebten die traurigen, bereits verfallenden aber noch bewohnten Plattenbauten, in denen die Kolonialmacht Dänemark, mit der eigentlich guten Absicht eine bessere medizinische Versorgung und Schulbildung zu gewährleisten, einst die Inuit eingepfercht hatte. Wie durch das Wirken der christlichen Missionare freien Jägern und Fischern ihr tiefer Glauben an die Natur und damit ihr freies Denken genommen wurde und wie diese heute als monotone Fischfilettierer in den großen Fischfabriken arbeiten. Warum in der Konsequenz bei den entwurzelten indigenen Inuit der Alkoholismus und eine der höchsten Selbstmordraten der Welt die Folge sind. Im lokalen Museum kann der Reisende tiefe Einblicke in das ursprüngliche Leben der Ureinwohner gewinnen und lernen, wie man sich gegen die Kälte schützte, welch zarte Kunstwerke aus Walfisch- und Robbenknochen entstanden waren. Überall im Museum gegenwärtig : ein geheimnisvoller Schamanismus, wie dieser nur der Natur zutiefst verbundenen Völkern zu eigen ist.

In der Kleinstadt Quaqortog viele bunte Häuser, freundlich Menschen und Straßennamen, die geeignet sind sich den Kiefer auszuhaken: Tassuunaqquunnnerit Tamaasa. Die HAMBURG liegt in der landschaftlich herrlichen Bucht vor Anker und die russischen Offiziere und Matrosen gehen ihrer privaten Leidenschaft , der Fischerei, nach während die Gäste den Ort  erkunden. Die Empathie, die den Gästen der MS HAMBURG von der Besatzung entgegengebracht wird, dokumentiert sich nachmittags darin, dass die reichen Fänge der Crew frisch zubereitet den Gästen auf dem Sonnendeck direkt vom Grill angeboten werden. Und genau dies macht die HAMBURG so einzigartig: der freundschaftlich gelebte Service, die Aufmerksamkeit, die den Gästen entgegengebracht wird, dürfte einmaligen Charakter haben. Dazu passt auch, dass der Kapitän, ein leidenschaftlicher Skatspieler, es sich nicht nehmen lässt mit „seinen“ Gästen während der Reise einige zünftige Skatrunden zu dreschen. Ein Sprachproblem besteht dabei nicht - der Kapitän spricht ausgezeichnet deutsch! Die Bordsprache Deutsch ist für die rund 350 Gäste der HAMBURG ohnehin ein wohltuender Unterschied im Vergleich zu anderen Schiffen und ein wichtiger Buchungsanreiz. Auf den modernen Megaschiffen mit 5.000 oder mehr Gästen ist eine geradezu babylonische Sprachverwirrung ja Standard, außerdem ist die persönlich-herzliche Serviceauffassung aufgrund der Touristenmassen dort überhaupt nicht zu leisten.

Am nächsten Morgen wird Südwestkurs angelegt und es geht von Grönland über die Labradorsee nach Nordkanada! Obwohl die See „kabbelig“ ist, zieht die HAMBURG erstaunlich ruhig dahin. In der Lounge werden die Reisenden von einer professionellen Lektorin auf dem Niveau von TV-Dokumentationen auf die zu erwartenden Begegnungen mit Walen vor der kanadischen Küste vorbereitet. Die Naturfreaks erfahren mit großem Staunen, dass die friedfertigen Meeresgiganten von einem fleischfressenden Huftier abstammen und erst im Verlauf von Jahrmillionen wurden, was sie sind. Einziges heute noch genetisch-verwandtes, lebendes Wesen: das Nilpferd! Die fasziniert-neugierig dem Vortrag folgenden Gäste lernen die Walarten kennen und lauschen gebannt deren von der Lektorin eingespielten Walgesängen. Unvorstellbar, dass der Ruf eines Blauwals von Artgenossen unter Wasser über 1000 km wahrnehmbar ist, d.h. ein z.B. vor Hamburg „singender“ Blauwal würde etwa vom norwegischen Bergen bis Rom gehört werden…unfassbar! Man bereitet die Gäste auf die „Kanarienvögel der Meere“, die lustigen Beluga-Wale, vor, weil man deren ständige Kommunikation sogar über der Wasseroberfläche hören kann. Großes Gelächter erntet die Lektorin für die vorgespielten Paarungsrufe der männlichen Walrosse, einem seltsamen Klopfen wie auf Holz mit einem überzeugenden Glockenschlag am Ende… welch zarte Walrössin könnte diesem Hochzeitsglöckchen schon widerstehen? Am Abend des erlebnisreichen Seetages, an dem erste Robben neugierig die HAMBURG begleiten, schlägt zum traditionellen Captain´s Dinner die große Stunde des Küchenchefs! Podder erweist sich, obwohl Inder, als Meister der internationalen Küchenkunst, quasi als Herr der Pötte auf dem Pott. Seine Küche ist eindeutig von dem renommieren italienischen Caterer Ligabue beeinflusst, für den die MS HAMBURG das stolze Flaggschiff seiner Flotte ist. Interessante Kreationen aus Italiens reichen Küchenschätzen interpretiert er mit schmackhaften asiatischen Elementen zu einem harmonisch-leichten Ganzen. Das herzliche, stets sehr bemühte Servicepersonal, begrüßt die Gäste bereits nach einigen Tagen namentlich und überschüttet den Gast fast mit seiner Liebenswürdigkeit. Im edlen Restaurant werden - in deutscher Sprache - den Gästen gerne die besten Leckerbissen empfohlen. So tragen die Servicelieblinge der Gäste Igidi, Cliff, David, Svetlana, Albert… und wie sie alle heißen zum großen „sich-Wohlfühlen“ an Bord entscheidend bei.


Nach dem vornehm- eleganten Dinner dann Showtime! In der Lounge eine abwechslungs-reiche Mischung von Unterhaltungsmusik: ein Rock‘n Roll-Pianist mit fliegenden Händen, der immer wieder gekonnt klassische Themen einfließen lässt. Und zur Begeisterung des Publikums sogar mit seiner Hakenase, quasi als 11. Finger, die Tastatur bearbeitet. Ein etwas pomadiger Sänger der die Zuhörer mit seinen Melodien auf den Broadway entführt und bekannte Melodien gekonnt dahinschmeichelt, eine junge Sängerin mit erstaunlichem Stimmvolumen walzert überzeugend durch den stets himmelblauen Operettenhimmel. Alle Künstler werden während der Reise nochmals an Soloabenden auftreten. Am Ver-blüffendsten ist jedoch die Vielfalt und Präzision der die Künstler live begleitenden, russischen Bordband, die anspruchsvoll Jazziges über urigen Blues bis zur profanen Tanzmusik alles perfekt aus ihrem Repertoire abrufen kann. Wen später das Tanzbein immer noch juckt, der kann dieses zu den Oldie- Melodien des Alleinunterhalters in der Palmengarten benannten Bar noch ausschütteln. Dass dabei eine zwanglose Atmosphäre wieder Trumpf ist, ist dabei selbstverständlich.

 

Am nächsten Morgen nähert sich die HAMBURG der Küste Labradors und die meisten Gäste stehen fernglasbewaffnet auf Walsuche auf dem Sonnendeck. Leichter Wellengang macht die Sache nicht leichter. Auch die schwäbische Gorillafrau ist – „hosch scho was gsähe?“ - wieder aufgetaucht. Sie hat sich, so erzählt sie, in den letzten Tagen zu einer begeisterten Kreuzfahrerin entwickelt, weil sie sich als Einzelreisende an Bord der HAMBURG so willkommen fühlt und „die Leut!“ so nett, die Preisaufschläge für Singles so fair sind . Auch der urige Münchner, der mit seiner Tabakspfeife fest verwachsen scheint und dessen Unterlippe sich im Laufe seines Lebens eindeutig an das Mundstück seiner Pfeife angepasst hat, steht stoisch an der Reling und starrt, wortlos Rauchzeichen gebend, aufs offene Meer hinaus. Aber… die Wale zeigen sich nicht. Mittags geht die HAMBURG nach einer abenteuerlich schmalen Fjordeinfahrt vor dem kanadischen Red Bay vor Anker. Den Namen hat die Bucht von den hier früher ansässigen Walfängern, die mit ihrem grausigen Broterwerb die Bucht mit dem Blut der zerteilten Wale tiefrot färbte. Bei der Ausfahrt aus der Bucht im abendlichen Dämmerlicht zur Freude der Gäste der erste Wal! Gemächlich schwimmt der etwa 6 m lange Grindwal für 10 Minuten Ewigkeit neben der Hamburg, die Kurs auf Neufundland genommen hat. Die Fahrplanverantwortlichen des Veranstalters PLANTOURS haben vorausblickend dafür gesorgt, dass das Schiff meist einen halben Tag auf See ist und einen halben Tag in oder vor einem Hafen festmacht.

Am nächsten Vormittag ist es dann soweit - plötzlich wird scheinbar eine kleine Insel geboren: der riesige Rückenschatten eines gigantisch großen Blauwals taucht etwa 200 m von der HAMBURG entfernt aus den silbrigen Fluten, bläst – hier bin ich - eine mächtige Fontäne geräuschvoll in den Himmel Kanadas. Und…dann ist da nahe bei dem Riesen noch ein kleinerer Schatten und produziert, ein wenig angeberisch, ein im Vergleich kleines aber lustiges Spring-brünnlein. Erst jetzt begreifen die Reisenden das gesamte Schauspiel: eine Walkuh mit Nachwuchs ist zu bestaunen. Die Gespräche an Bord ersterben, nur noch das Klicken der Kameraverschlüsse ist minutenlang zu hören, stechen Finger lautlos- deutend in die Luft. Ein Blauwal… es dauert bis dieses Erlebnis fassbar wird. Nachdem Frau Wal dem „Kleinen“ die HAMBURG ausführlich gezeigt hat, verschwinden die beiden nach einem letzten kräftigen Blas wieder in den Tiefen der See.

In den folgenden, weitgehend unbekannten Anlaufhäfen und Buchten, die für große Schiffe nicht zugänglich sind, haben die erlebnishungrigen Gäste der HAMBURG die Möglichkeit bei vom Veranstalter organisierten Ausflugstouren mit den bordeigenen Zodiacs die überwältigenden Naturfjorde Nordkanadas zu bestaunen; für Wanderfreunde locken geführte Touren durch die angrenzenden Nationalparks mit atemberaubenden Ausblicken. Sogar Rundflüge mit kleinen Wasserflugzeugen werden angeboten. Spätestens bei einer Bärenfütterung erinnert man sich an die Indianergeschichten und packenden Romane der Jugend, an Lederstrumpf, den letzten Mohikaner Chingachcook und deren gemeinsame Abenteuer in den kanadischen Wäldern.

Auf dem Weg in die sympathische Stadt Quebec dann noch ein tiefer Abstecher in den berühmten Sangenuay River. Schon vor Sonnenaufgang treibt es mich auf das offene Deck und nur Ute, die Gorillafrau, teilt mit mir das großartige Schauspiel wie die ersten zarte Morgenröte die herbstlich verfärbten Laubbäume am Ufer zart aufglühen lässt, während der Mond wie ein Silberball dem Zenit entgegenfällt. Plötzlich unterbrechen seltsame Geräusche die morgendliche Idylle: ein Quieken, Schnattern, Singen! Und wir erkennen schnell dessen Ursprung: eine gesellige Gruppe fast schneeweißer Belugawale begleitet offenbar bestgelaunt und an der Wasseroberfläche lustig- übermütig schwimmend die langsam den Fluss hinaufgleitende HAMBURG.

Und Ute kann nicht anders: Ihr rollen einige Tränen über die Wangen und sie sagt, fast schon erschütternd,

„Do schnallsch ab - isch ja no fandaschdischer als bei de Affe!“


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