Damals, ca. 1970, gab es auf dem Wank eine neu errichtete meteorologische Station, die ein anerkannter Wissenschaftler leitete. Jeden Morgen fuhren die Wankerer und ihre Vorarbeiter mit der ersten Gondelfahrt der alten Wankbahn aus dem Herzen Partenkirchens auf den Berg. Bei dieser „Rieschd“ genannten Fahrt wurden die Seile überprüft und bei einem Halt an jedem Stützpfeiler kletterte der begleitende Bahn¬schaffner, der Rudl, halsbrecherisch aus der Gondel hinaus um zu kontrollieren ob sowohl Tragseil als auch Zug¬¬seil richtig auf den Rollen lagen und so wurde aus der üblicherweise 10 Minuten dauernden Fahrt eine gut halbstündige. Zeit genug, um zu ratschen, die Vorzüge der am Vortag gebauten Wege zu rühmen und sich gegenseitig zu pflanzen. Ebenfalls nahm die gesamte Besatzung der Wetterstation an der Rieschd teil. Eines Tages fragte der eingefleischte Partenkirchner Vorarbeiter den Leiter der Wetterstation: „Dokta, wia werds Weijda z`morgaschd“?. Der Angesprochene antwortete in der ihm angemessenen soigniert-professoralen Art: „Franz, es bleibt sicher noch mehrere Tage sehr schön und hochsommerlich!“. Die ihn begleitenden wissenschaftlichen Mitarbeiter nickten devot Zustimmung. Der Partakurcha blitzte ihn aus seinen listig-lustigen Augen kurz an und begann unter seinem blauen Arbeitsschurz zu wühlen. Schließlich zog er eine kleine Schnupftabaksdose hervor, öffnete diese, blickte hinein, klappte sie wieder zu und konstatierte völlig unbeirrt und unbeeindruckt: „Renga tuats!“. In der Kabine war es still geworden und der verdutzte Professor rang sich ein müdes Lächeln ab: „Ja Franz, wie kommst Du denn jetzt auf die Idee?“. „Dejs ko i Dir scho sogn, Dokta - mei Schnupftabak macht Knuidalan!“. Der Herr Doktor erklärte jetzt seinem Widerpart über welche hochmodernen Geräte er verfüge, schilderte wortreich die Wirkungsweise seiner Hygrometer, Psychrometer, Barometer usw. und wie unfehlbar deren Messdaten und Vorhersagen mit der fortschreitenden hochtechnischen Entwicklung inzwischen geworden waren. Der Franz hörte ihm gelassen zu und stellte zum Amusement der Zuhörer nochmals und final fest : „Renga tuats!“.

Am nächsten Tag … schüttete es! Und die Rieschd wurde zu einer marterähnlichen Fahrt für den Professor. Der Franz eröffnete das Gespräch nicht ohne Triumph in seinem Gesicht : „Dokta, was sogscht zum Weijder?“. Der Angesprochene zuckte fast ratlos seine Schultern, aber jetzt war der Franz ganz in seinem Element: „Schmeiß dei ganz Glump weg und koff da an Schnupftabak, na woaschd wia as Weijda werd.“. Natürlich hatte er die Lacher auf seiner Seite, der Professor und seine wissenschaftlichen Mitarbeiter waren blamiert und der Franz wiederholte diesen und ähnliche spöttische Ratschläge bis zur Ankunft an der Bergstation viele Male. Und natürlich mussten der Professor und sein Mitarbeiterstab auf Drängen vom Franz einen Kurs in korrekter Wettervorhersage machen und wurden von ihm zu diesem Zweck zu einer kräftigen Pris Schnupftabak genötigt: „Deijs ischd a guada - as Pfund a March!“. Die hochakademischen Herren aber litten vermutlich noch den ganzen Tag an dem rassen Schmei des Partakurchas…

Nicht umsonst heißt der Wank in Partenkirchen auch der „Weijderbarg“. Binnen kurzer Zeit konnte sich das Wetter dramatisch schnell verändern, vor allem wenn über den angrenzenden Amoasbarg plötzlich die Gewitterwolken wie eine Springflut herüberquollen. Bisweilen war es deshalb auch ein wenig kritisch, abends mit der doch schon recht betagten Wankbahn zu Tal zu fahren. An einem dieser Abende schaukelte die alte Gondel beträchtlich, obwohl die Geschwindigkeit der Fahrt bereits auf ein Minimum reduziert war. Den jungen Burschen und Studenten stand allen der pure Angstschweiß auf der Stirn und graugrüne Gesichter ließen Schlimmeres befürchten. Auch der erfahrenen Gondelschaffner war sichtlich beunruhigt und war, für alle hörbar, aufgeregt im ständigen Kontakt mit der Talstation. Selbst in die Gesichter der heimischen Vorarbeiter hatten sich Sorgenfalten gegraben und sie klammerten sich krampfhaft an die verfügbaren Haltepunkte der am Tragseil pendelnden Gondel . Mit Ausnahme des Capos. Der stand nahezu unbeteiligt, auf seinem langen Haselnussstock gestützt, in der herumtaumelnden Gondel. Die langsame Fahrt näherte sich einer der Stützen und trotz aller getroffenen möglichen Vorsichtsmaßnahmen donnerte die Gondel mit einem beängstigenden lauten Krachen dagegen, man konnte meinen, sämtliche Schweißnähte der Kabine platzen zu hören. Einer der Studenten fragte fast stimmlos und völlig verängstigt in seltsamen hochdeutsch-bayerisch: „Capo, was passiert wenn wir jetzt obifallen?“. Der Capo sah ihn völlig unbewegt an und meinte nur : „Na steahschd ou amoi in der Zeitung!“.

 

Die Wankerer - Ein Werdenfelser Gschichterl von Alexander Möbius (Copyright)

Veröffentlichung 04./05.02.23, Garmisch Partenkirchner Tagblatt / Münchner Merkur, Rubrik Region,
Wochenendausgaben als Serie, Print.