The winner is…,

zumindest momentan, ein aktuell im Zentrum der archäologischen Forschung stehender Hügel in der östlichen Türkei: der Göbekli Tepe! Aktuelle Datierungen, basierend auf modernster Forschung, verorten die dortigen Bauwerke auf das 10. Jahrtausend vor Christus/ vor unserer Zeitrechnung! Bemühen wir uns zunächst um unser Verständnis fördernde Vergleiche: zwischen dem Beginn der unser Denken und Sein bis heute so sehr bestimmenden griechischen Hochkultur und dem Handyzeitalter liegen knapp 3000 Jahre. Zwischen den Kulturbauten am Göbekli Tepe und den zitierten, prägenden griechischen Vorbildern liegt mit gut 9.000 Jahren der dreifache Zeitraum! Als der ägyptische Pharao Cheops seine Pyramide bauen ließ, war die Kultur rund um den Göbekli Tepe schon locker 7.000 Jahre alt und selbst die rätselhaften Monolithen von Stonehenge wurden erst gut 6.000 Jahre später errichtet. Göbekli Tepe bedeutet so viel wie „Nabelberg“ und ist in der südöstlichen Türkei gelegen. Dass es sich dabei um eine archäologisch interessante Fundstätte handeln könnte wurde seit 50 Jahren vermutet. Aber erst der deutsche Archäologe Klaus Schmidt erkannte Mitte der 90er Jahre die besondere Bedeutung des von Menschenhand aufgeworfenen Hügels. Bauern der Region berichteten ihm von riesigen, aus dem Boden wachsenden Steinen, die sie beim Ackern störten und die sie deshalb mühsam zertrümmern mussten. Schmidt, aufmerksam geworden, begann seine Ausgrabungen und entdeckte den wahren Hintergrund dieser „Steine“: es waren bis zu 5 Meter große, tief eingegrabene und sorgfältig aus Stein gemeißelte Pfeiler, oft mit wunderbaren Tier-motiven oder Piktogrammen verziert. Bis heute wurden etwa 40 dieser Pfeiler ausgegraben und als geheimnisvoll- mythische Wesen mit „antromorphem“ Charakter , d.h. Menschen darstellend, gedeutet. Diese Pfeiler sind Teil kreisförmiger, mit Estrichböden aus geschliffenem Kalkstein ausgelegter Anlagen von denen bisher 20 entdeckt wurden. Dabei geht man aktuell, nach rund 15-jährigen Aus-grabungen, davon aus, dass man erst 1,5 % des gesamten Areals erforscht hat! Das Kernproblem des Nabelbergs aber ist, dass die Grabungen mehr Fragen aufwerfen als Antworten zu finden sind.

Ursprung der Religion?

Da bis heute keinerlei Hinweise auf eine Besiedlung wie Behausungen, Wohnnutzungen oder etwa Befestigungen nachzuweisen sind, ist der wahrscheinlichste Ansatz die Fundstätte als ein komplexes Kultzentrum zu deuten.
Da bei den Bautätigkeiten aber von etwa 500 beteiligten Menschen auszugehen ist, muss es aber, selbst in den damaligen, noch von Nomadentum geprägten Lebensformen erste Besiedlungen und Sozialstrukturen gegeben haben. Möglicherweise beweisen die Entdeckungen am Göbekli Tepe dadurch auch, dass die bis vor kurzem vorherrschende Meinung der Wissenschaft, Religion hätte sich erst nach Ende der nomadischen Lebensformen und mit Beginn der Sesshaftigkeit und Landwirtschaft entwickelt, nicht richtig ist. Offensichtlich hat die scheinbar großräumig vernetzte, aber noch jägerisch geprägte Nomadenbevölkerung rund um den Göbekli Tepe schon über entsprechende Strukturen verfügt, die durch religiöse Verhaltensmuster die Suche nach etwas Höherem und damit ein Zusammengehörigkeitsgefühl ausgelöst hat. Diese These wird auch dadurch gestützt, dass bei den Ausgrabungen bisher keine Darstellungen weiblicher Figuren gefunden wurden. Mythologisch-symbolisch gesehen steht das Weibliche für das Hervorbringen, Wachsende, für das Leben spendende an sich. Der Umkehrschluss, dass die Bauten am Göbekli Tepe deshalb eine Kultstätte für das „Gestorbene“, für Totenkulte war, ist daher naheliegend. Der Kern aller Religion, unabhängig von Zeit und Region, ist die Überwindung des Todes. Dafür wechselt das Individuum für alle Zeit in einen anderen Seins-Zustand, in eine andere Welt, in der es weder Leid oder Angst noch Krieg gibt. Auch teilen nahezu alle Religionen den Glauben an ein ewiges Leben, an eine unsterbliche Seele.

Warum ist dies so? Die Antworten, die sich der Mensch hinsichtlich Existenzfragen und dem Zusammenhang zwischen Leben und Tod gegeben hat, standen immer im direkten Bezug zu seinen jeweiligen Lebensumständen und seiner Lebensweise. Diese waren stetigem Wandel unterworfen und neu entstehende Wirklichkeiten schufen neue Sichtweisen, neue mythische Erklärungen. Im neolithischen Zeitalter der Jäger und Sammler, die ohne Wohnsitz, ohne Besitz und vor allem ohne Vorratshaltung nomadisierten, wurden deshalb konsequenterweise die den Lebensalltag bestimmenden Nahrungsmittel repräsentierenden Tiere, Bäume, Quellen und der für die Orientierung wesentliche Himmel kultisch verehrt. Wissenschaftlich überliefert scheint eine kultische Verehrung eines „ Herren der Tiere“. Aus dieser Zeit sind unterschiedliche Bestattungsriten erforscht, die bereits auf ein Leben nach dem Tod, an eine schöpferische Kraft des heute „Seele“ genannten Lebenszustands hindeuten. Mittler „zwischen den Welten“ waren vermutlich Schamanen. Mit der Sesshaftwerdung der nomadisierenden Jäger und der langsamen Entstehung der Landwirtschaft änderten sich die Nahrungsquellen und damit auch die das religiöse Denken bestimmenden Mythen.

Entstand aus Erde und Himmel Auferstehung?

Die wichtigste Nahrungsquelle war jetzt die große „Hervorbringerin“, die Erde, und gerät damit auch mythologisch in den Mittelpunkt des Denkens des neolithischen Menschen. Die ihr als fruchtbare, „nährende Frau“ entgegengebrachte Verehrung bestimmt die weitere Entwicklung der religiösen Überlegungen, der Weg zur Muttergottheit war gebahnt. Der zweite entscheidende Faktor ergab sich nahezu von selbst: denn nur in der Vereinigung mit dem Himmel und dessen Gaben in Form von Regen, Licht und Sonnenwärme wird die den Menschen nährende Fruchtbarkeit ausgelöst. Der Himmel wird in der Folge als „Vaterfigur“ mythologisiert, er ist es, der mit seinen Zeichen, den astronomischen Konstellationen, den Menschen Orientierung und damit Ordnung gibt und … er regelt letztlich auch das Verhältnis zwischen Leben und Tod. Der neolithische Mensch verstand den Tod als Voraussetzung für neues Leben, den selbst erfahrenen Rhythmen des alltäglichen Lebensverlaufs folgend. Nach einem die Fruchtbarkeit gebärenden Frühlings, den reichen Gaben des Sommers und Herbstes „starb“ die Erde im Winter, lag brach und leblos. Aber aus diesem Tod wurde, dem Vegetationskreislauf folgend, eine „Wiederauferstehung“, ein neues Leben.
Am Himmel symbolisiert oder besser „dokumentiert“ sich dieser Kreislauf, gut beobachtbar, im Mond dessen Rhythmus aus Wachstum, kraftvoller Reife, Schwinden und Sterben/Verschwinden geprägt ist. Und der aus jedem „Tod“ wiedergeboren wird. Hier finden der neolithische, später der Mensch des alten Mesopotamiens, die alten Ägypter usw. usw. die für das Leben so wichtige Ordnung und Orientierung. Die Namen der Auferstehungsgötter sind denn auch zahlreich: Attis, Baal, Marduk, Osiris, Dyonisos…und…heißt es nicht auch vom Christengott dass er „…am dritten Tag wieder auferstanden von dem Tode“ sei? Exakt drei Tage aber ist der Mond unsichtbar bzw. „gestorben“.
Die alten Ägypter, später auch die Griechen, stellten sich vor, dass auf der Mondbarke (die Neumondsichel „liegt“ im Orient) der Fährmann Charun oder Acheron die verstorbenen Seelen in das andere Leben hinüber bringt . Als Lohn für diese Fährdienste legte man den Verstorbenen denn auch Münzen auf die Augen. Was aber könnte die Existenz einer „Seele“ begründen? Der neolithische Mensch, der den Tod als schöpferischen Impuls für die Entstehung eines neuen Lebens begriffen hat, muss exakt zwischen Leib und Seele unterschieden haben. Die Bedeutung der Körperlichkeit hat er vermutlich durch Schlachtungen von Beutevieh/Nahrungsquellen mit dem Blut und dem Schlagen eines Herzens begriffen. Die unsichtbare Seele mit der unabdingbaren und mit der Körperlichkeit untrennbar verbundenen Notwendigkeit der Atmung. Übrigens hatte der heute als Synonym für die Seele verwendete Begriff Psyche im Altgriechischen ursprünglich eine andere Bedeutung: er wurde mit „Atem“ oder „Hauch“ übersetzt.

Tourismus ante portas!

Doch zurück zum „Nabelberg“, dem Göbekli Tepe. Wenn dieser als Platz der Totenverehrung gedeutet werden soll, dann wäre es naheliegend hier auch Gräber und Totenstätten vorzufinden. Bis zum heutigen Tag gibt es aber keinerlei Gräberfunde. Allerdings fand man sorgfältig behauene Steine, die von anderen spätneolithischen Ausgrabungsstätten als Grabplatten bekannt waren, und die ein sog. sorgfältig aus dem harten Stein herausgearbeitetes „Seelenloch“ aufweisen. Ob dies als Schlupfloch für die Seele des Verstorbenen oder als Atemloch zu deuten ist, ist noch unbekannt. Die plastische, zutiefst eindrucksvolle Darstellung von vielen Tieren, vor allem Raubtieren wie Löwe, Krokodil, Adler oder Geier scheint wieder in den Kontext einer Totenverehrung zu passen. Diese Tiere bringen dem Menschen den Tod und schaffen damit nach dem neolithischen Verständnis die Ausgangsbasis für neues Leben.
Auch die vielen inzwischen ausgegrabenen megalithischen Pfeiler, von denen K. Schmidt nachgewiesen hat, dass sie keinerlei architektonische Funktion, wie z.B. das Tragen eines Daches hatten, weisen eindeutig auf eine religiös- mythologische Bedeutung hin. Diese riesigen, kunstvoll von den neolithischen Steinmetzen bearbeiteten Pfeiler voller geheimnisvoller Leblosigkeit , werden von der Archäologie als Symbole der das Leben aus der tödlichen Erstarrung wieder zyklisch hervorbringende Artefakte gedeutet.
Aber dies sind nicht genug der Rätsel um den steinzeitlichen Tempelberg! Durch die vielen Darstellungen von hochgiftigen Ottern, Skorpionen und Spinnen, von zähnefletschenden Raubtieren, sollte offensichtlich die „andere“ Welt sorgfältig beschützt und bewacht werden. Das Eindringen äußerer, diesseitiger Einflüsse und damit eine „Vermischung“ beider Welten verhindert werden. Die Darstellungen scheinen sich in allegorischen Bildern zu einem sich aus Gefahr, Bedrohung aber auch Friedlichem strukturiertem Gesamtbild zu verbinden. In dieser rituellen Welt bewegen sich rätselhafte Mischwesen aus Mensch und Tier, die von der Wissenschaft als früher, steinzeitlicher Schamanismus gedeutet werden.

Etwa im 8. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung wurde die Bautätigkeit an diesem rituellen Zentrum aus vorkeramischer Zeit aufgegeben, der Wechsel von der ursprünglichen Gesellschaftsordnung der Jäger und Sammler zur Seßhaftwerdung war vollzogen. Und die mühevoll in rund zwei Jahrtausenden erbauten Tempelanlagen des Göbekli Tepe? Wurden sorgfältig mit Unmengen von Geröll, Gestein und Erde zugeschüttet, ganz so, als wollte man die Vergangenheit mit ihren gewesenen sozialen Strukturen im wahrsten Sinne des Wortes „begraben“. Inzwischen wird dieses unvergleichliche, noch weitgehend rätselhafte und erst zu einem kleinen Teil archäologisch erschlossene Monument der Menschheitsgeschichte zu einem neuen Spot im Produktportfolio von auf Studienreisen spezialisierten Reiseveranstaltern (z.B. traveltheunknown.com) im touristischen Nischensegment.

In der Region hat die Entwicklung einer verbesserten Infrastruktur bereits begonnen, der nahe gelegene Flughafen der Regionalhauptstadt Sanliurfa wird zwar noch immer fast ausschließlich von Istanbul und Ankara aus angeflogen, befindet sich aber seit 2007 im Ausbau, der Modernisierung. Aktuell plant man die Einrichtung eines elektronischen Landesystems - die Weichen für eine touristische Erschließung des so rätselhaften „Nabels der Welt“ sind also gestellt, die Reisen durch 12 Jahrtausende Menschheitsgeschichte stehen unmittelbar bevor!